Es ist Herbst im Jahr 1997. Ich bin 15 Jahre alt, mitten in der Pubertät und besuche die 10. Klasse auf dem Gymnasium. Gehört habe ich von der Normandie schon öfters, denn wir behandeln gerade den 2. Weltkrieg im Geschichtsunterricht.
Jetzt aber, auf Seite 30 meines Französisch-Buchs, sehe ich zum ersten Mal ein Bild von ihr:
Schmale, bunte Fachwerkhäuser, teilweise mit Fensterläden. Davor ein Hafenbecken mit kleinen farbenfrohen Fischerbooten.
Frankreich mag ich zu diesem Zeitpunkt nicht, Franzosen finde ich arrogant und mit der Sprache stehe ich sowieso auf dem Kriegsfuß. Doch dieses Bild löst etwas in mir aus: Ich erwische mich dabei, wie ich denke „Das würde ich mal gern sehen.“
Was ich da in meinem Französisch-Buch (Etudes Françaises-Echanges – Cours Intensif 2 vom Klett-Verlag) gesehen habe, ist der alte Hafen von Honfleur, einer Stadt in der Normandie. Knapp drei Jahre wird dieses Bild in mir schlummern.
Im Mai 2000 denke ich mittlerweile anders über Frankreich. Ich bin volljährig, habe ein Auto und bin mit Freunden spontan für ein paar Tage nach Paris gefahren. Nun möchten wir noch ein bisschen das Umland erkunden. Auf einem der Schilder der Stadtautobahn von Paris lese ich den Ort „Le Havre“.
Auf geht's in die Normandie
Ich weiß über Le Havre nur, dass es eine Hafenstadt in der Normandie ist. Für mich klingt das nach Freiheit, nach großer Welt und dann fällt mir das Bild aus dem Buch wieder ein: Honfleur - Ein Grund mehr in die Normandie zu fahren.
Nach knapp zweieinhalb Stunden Autofahrt erreichen wir Le Havre. Das erste was mir auffällt sind riesige, runde Öl-Tanks. Sie erinnern mich an die Raffinerie-Anlagen in Wesseling, vor den Toren Kölns.
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Le Havre wurde im 2. Weltkrieg schwer zerstört
Wir fahren ins Stadtzentrum und sehen Beton, Beton und nochmals Beton. Der Strand ist ein Kieselstrand und ich bin schwer enttäuscht: „Das ist Le Havre? Das ist die Normandie?“
Was ich zu diesem Zeitpunkt nicht weiß ist, dass Le Havre - im Gegensatz zu anderen Orten und Städten in der Normandie - fast vollständig zerstört wurde.
Ich will Honfleur sehen. Wir fahren raus aus der Stadt und nehmen Kurs auf den Pont de Normandie, die große Schrägseilbrücke über die Seine. Als ich die Brücke sehe, denke ich nur: „Oh Gott, was ist das für eine Steigung? Hoffentlich schafft es mein Auto da hoch, ohne schlapp zu machen.“
Wir bezahlen die Mautgebühren und fahren hoch. Ich sitze verkrampft am Lenkrad. Meter für Meter quält sich mein Auto hoch und nach gefühlten dreißig Minuten (es waren fünf Minuten) haben wir den Höhepunkt erreicht.
Auf dem Höhepunkt der Brücke bin ich überwältigt: Ich sehe einen strahlend blauen Himmel und unten die Seine ins Meer fließen. Was für ein Anblick: Einfach umwerfend!
Wunderschönes Honfleur
Nachmittags erreichen wir mit meinem altersschwachen Ford Sierra-Kombi das kleine, romantische Städtchen Honfleur. Es ist viel schöner als ich es mir vorgestellt habe. Ein Hafenbecken mit vielen kleinen Schiffen.
Um das Hafenbecken herum haben Restaurants Tische und Stühle rausgestellt. Menschen schlendern, essen ein Eis oder setzen sich an die Tische um bei einem Café au lait die Aussicht zu genießen. Vereinzelt haben Maler ihre Staffeleien aufgebaut.
Umrahmt wird das Ganze von schmalen, vierstöckigen Fachwerkhäusern, die mit Schiefer bedeckt sind. Eltern stehen am alten Pferdekarussell und schauen ihren Kindern zu, die eine Runde mit dem Karussell drehen.
Ab diesem Moment hatte ich die Normandie ins Herz geschlossen. Ich kam noch viele Male hierhin und machte mich daran jedes Mal ein bisschen mehr von der Normandie zu erkunden.
Dabei entdeckte ich eine Vielfalt, die ich so von einer Region noch nicht gekannt hatte:
Die Alabasterküste mit ihren atemberaubenden Felsformationen bei Étretat oder feine Sandstrände in Deauville / Trouville-sur-mer im Département Calvados.
Der Mont-Saint-Michel, ein Kloster im Meer, was Tausende von Touristen täglich anlockt oder das ruhige Dörfchen Beuvron-en-Auge, was mit seinen hübschen kleinen Fachwerkhäuschen aussieht als wäre die Zeit einfach stehen geblieben.
Die Normandie: Cidre, Calvados und Camembert
Dazwischen immer wieder eine unglaubliche Natur: Saftige, grüne Wiesen mit Kühen, die der ideale Drehort für Videos von Bio-Lebensmittel wären und Dörfer und Städte, die liebevoll mit Blumen verziert sind. A propos Lebensmittel: Die Normandie ist auch bekannt für ihre drei großen C’s: Cidre, Calvados und Camembert.
Eines ist die Normandie aber nie: Langweilig!
Sie schafft einen guten Spagat und hat für jeden etwas zu bieten:
Prachtvolle Casinos in denen man bis in die Nacht sein Glück beim Roulette versuchen kann oder ein Spaziergang für Frühaufsteher am Hafen, wo man den Fischern zugucken kann, wie sie ihren Fang ausladen.
Kajak fahren im Hinterland oder Eltern, die mit ihren Kindern am Strand Sandburgen bauen. Das alles geht in der Normandie!
Die Normandie: Von Paris aus zwei bis drei Stunden entfernt
Die Franzosen wissen schon lange um die Vorzüge, nicht umsonst ist es das Urlaubsziel der Pariser. In zwei bis drei Stunden von Paris aus erreicht man mit dem Auto oder Zug die Normandie und kann die Seele baumeln lassen und neue Kraft tanken.
Das ist das, was ich an der Normandie so liebe: Obwohl sie viel zu bieten hat, ist sie natürlich geblieben. Sie ist elegant, ohne arrogant zu sein. Genau aus diesem Grund habe ich mich in die Region so verliebt und komme immer wieder gerne hier hin.